Allgemein | Blogbeitrag | Event | Genderkriterien | Presse

Blogbeitrag: „Juristinnen in der Großkanzlei – Karrierewege, Chancen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei Binder Grösswang“
Der Karriereweg einer Juristin in einer Großkanzlei scheint auf den ersten Weg glasklar. Er beginnt als Praktikantin oder Rechtsanwaltsanwärterin und mündet, sofern es auf dem Weg keine Abzweigungen in andere…

Der Karriereweg einer Juristin in einer Großkanzlei scheint auf den ersten Weg glasklar. Er beginnt als Praktikantin oder Rechtsanwaltsanwärterin und mündet, sofern es auf dem Weg keine Abzweigungen in andere Richtungen gibt, als Partnerin – so die Idee.

Dennoch bleiben immer wieder Fragen zu den Details unbeantwortet. Speziell, wenn es um die Themen Familie und Beruf geht. Partnerin Angelika Pallwein-Prettner und HR-Leiterin Daniela Garherr-Lixl beantworten die brennendsten Themen und beleuchten die Aspekte, die für Frauen in diesem Bereich besonders relevant sind.

Frauen im juristischen Umfeld:

Wie hoch ist der Frauenanteil im juristischen Bereich?

Daniela Garherr-Lixl: In unserer Kanzlei liegt der Frauenanteil unter den Jurist*innen derzeit bei etwas über 40%, mit steigender Tendenz (Stand 01/2024).

Gibt es eine Frauenquote in der Führungsebene? Warum? Warum nicht?

Daniela Garherr-Lixl: Quotenregelungen empfinden wir als nicht zielführend. Würde es nur um Geschlechterparität gehen, müssten wir beispielsweise in der Führungsebene in unseren Business Services (Marketing, Business Development, Finanzen, Office Management, HR und IT) eine Männerquote einführen. Aufgabe der HR ist, die jeweils am besten qualifizierte Person für einen Job auszuwählen. Es muss klar sein, dass jede*r dieselben Chancen auf eine Führungsposition hat und niemand nur aufgrund des Geschlechts eine Position innehat.  

Angelika Pallwein-Prettner: Entscheidungskriterien für die Übertragung von Führungsverantwortung sollten immer Leistung und Qualifikation sein. Davon abweichende Kriterien würden der Motivation, dem Teamspirit und nicht zuletzt auch dem fachlichen Ruf der Kanzlei schaden, da unser Anspruch Rechtsberatung in kompromisslos hoher Qualität ist. Im juristischen Bereich ist die Führungsebene bei uns – wie in den meisten Großkanzleien – zwar noch relativ männerlastig, wir haben aber viele weibliche Nachwuchstalente in unseren Reihen und sind sehr zuversichtlich, dass es mittelfristig zu deutlichen Verschiebungen zugunsten der Frauen kommen wird.

Gibt es Initiativen, um den Frauenanteil auf der Partner*innenebene zu erhöhen?

Angelika Pallwein-Prettner: Eine spezielle Initiative gibt es nicht, eine konkrete Zielsetzung in diese Richtung aber sehr wohl. Aus meiner Sicht ist der Frauenanteil auch nicht durch eine punktuelle Aktion kurzfristig anhebbar. Es braucht vielmehr die generelle Akzeptanz des – in vielen Teilen schon vollzogenen – Kulturwandels, dass Familie und Haushalt nicht grundsätzlich Frauenzuständigkeiten sind. Dann verteilen sich die damit einhergehenden „Einschränkungen“ automatisch gerechter.    

Daniela Garherr-Lixl: Wofür sich Binder Grösswang aktiv engagiert, ist, Juristinnen in allen Karrierestufen zu fördern. Eine vielversprechende Entwicklung in den letzten Jahren ist, dass mittlerweile mehr Anwältinnen als Anwälte bei uns tätig sind, darunter auch junge Eltern. Das freut uns wirklich sehr.

Familie & Beruf:

Wie vereinbar ist der Beruf als Rechtsanwaltsanwärterin / Rechtsanwältin mit der eigenen Familie?

Angelika Pallwein-Prettner: Es gibt offen gesagt schon Phasen, in denen die Vereinbarkeit schwer zu bewerkstelligen ist. In dieser Zeit ist man auf sein berufliches und privates Umfeld angewiesen, die nötige Unterstützung und Flexibilität zu schaffen. Das hat in meinem Fall gut funktioniert, obwohl mein Mann auch einen zeitintensiven Beruf ausübt. Wie so oft gilt auch hier: Wo ein Wille, da ein Weg. In diesen stressigen Phasen ist es schon so, dass der Fokus auf Beruf und Familie liegt und alles andere wie Sport, Freizeitaktivitäten und Freunde zu kurz kommt. Ich kann aber mittlerweile auch schon rückblickend dazusagen, dass es sich im Verhältnis zur gesamten Berufslaufbahn um einen relativ kurzen Zeitraum handelt, in dem die Selbstbestimmtheit so stark eingeschränkt ist.       

Wie sind die Arbeitszeiten?

Daniela Garherr-Lixl: Um Familie und Beruf gut vereinbaren zu können, gibt es Möglichkeiten, flexible Abmachungen über die Arbeitszeiten und auch den Arbeitsort zu treffen. Außerdem gibt es Teilzeitvarianten, die unseren Jurist*innen offenstehen.

Gibt es auch Arbeiten, die am Wochenende erledigt werden müssen?

Angelika Pallwein-Prettner: Ja, das kommt vor. Die Häufigkeit und Planbarkeit variieren und hängen auch vom Rechtsbereich und den Mandaten ab. Aber wir verstehen Rechtsberatung kanzleiweit so, dass wir im Bedarfsfall immer für unsere Mandanten erreichbar sind und diese uneingeschränkt unterstützen.

Gibt es Herausforderungen mit denen man speziell als Frau konfrontiert ist, wenn ja welche?

Angelika Pallwein-Prettner: Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Schwangerschaft und die erste Zeit nach der Geburt Frauen vor ganz besondere Herausforderungen stellt. Beruflich eine Zeitlang auszufallen, ist dabei natürlich notwendig, was ich aber nicht als Nachteil ansehen würde, sondern vielmehr als eine Auszeit, die man nutzen und genießen kann.       

Kann man auch Teilzeit als Rechtsanwaltsanwärterin / Rechtsanwältin / Partner*in arbeiten?

Daniela Garherr-Lixl: Ja, auch Rechtsanwaltsanwärter*innen, Rechtsanwält*innen und Partner*innen haben die Möglichkeit, in Teilzeit beschäftigt zu sein.

Was für Karenzmöglichkeiten gibt es als Jurist für Männer?

Daniela Garherr-Lixl: Es gibt bei uns nicht ein Karenzmodell für alle. Wir sind für Vieles offen und haben in der Vergangenheit unterschiedlichste Varianten in dem Bereich umsetzen können, von der 6-monatigen Väterkarenz über die dauerhafte Reduktion der Arbeitszeit oder dem, an das Familienleben angepasste, hybride Arbeiten.

Angelika Pallwein-Prettner: Hier findet sich innerhalb des Teams, in dem der Jurist tätig ist, eigentlich immer eine vernünftige Lösung, mit der beide Seiten zufrieden sind. Hilfreich ist, dass viele der Partner*innen unserer Kanzlei selbst Familienmenschen sind und daher großes Verständnis und Entgegenkommen bei diesen Themen herrscht.   

 

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellt zwar immer noch eine Herausforderung dar, insbesondere in Phasen in denen hohe berufliche und persönliche Anforderungen zusammentreffen. Nicht alle Herausforderungen können von Arbeitgeber*innen alleine abgefangen werden, es bedarf weiterhin einem kulturellen Wandel hin zu einer gerechteren Verteilung familiärer Verantwortung. Doch wichtige Meilensteine wie individuelle Karenzmodelle für alle und flexible Arbeitszeitgestaltung bieten ein ermutigendes Beispiel dafür, dass der Beruf der Juristin durchaus mit familiären Verpflichtungen vereinbar ist, solange die notwendigen Unterstützungsstrukturen vorhanden sind.

0 Kommentare