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10 Jahre Women in Law Jubiläum: Shahanaz Müller  im Interview
“Für mich geht es weder um weiblich oder männlich – es geht um die Sache.” Ein Interview mit Shahanaz Müller Von der studentischen Mitarbeiterin bis zur Partnerin bei Deloitte Österreich…

“Für mich geht es weder um weiblich oder männlich – es geht um die Sache.”

Ein Interview mit Shahanaz Müller

Von der studentischen Mitarbeiterin bis zur Partnerin bei Deloitte Österreich – Shahanaz Müller, hat ihren Weg in der juristischen Branche mit Entschlossenheit und Vision gestaltet. „Mein großes Glück war und ist, dass ich stets großartige Mentorinnen an meiner Seite hatte,“ berichtet sie. Diversität in der österreichischen Rechtsbranche sieht Müller auf einem positiven Weg: „Ich habe immer mehr mit weiblich besetzten Vorständen zu tun.“ Mit einem klaren Fokus auf Vielfalt und Inklusion plädiert sie für ein Umfeld, das durch unterschiedliche Hintergründe bereichert wird. Ihr bester Rat an junge Juristinnen? „Es geht um die Sache, nicht um Geschlechter – fokussiert bleiben und Allianzen bilden.

Wie haben Sie sich Ihre Position in der juristischen Branche erarbeitet und welche spezifischen Herausforderungen mussten Sie als Frau überwinden?

Bereits während meines Studiums hatte ich großes Interesse für das Fachgebiet Financial Crime bzw. Geldwäscheprävention. Dies führte dazu, dass ich mich 2008 bei Deloitte als studentische Mitarbeiterin beworben habe – als ich im Oktober begann, war ich auch die erste juristische Fachkraft im Team.

Nach Beendigung meiner Studien, 2011 Politikwissenschaften, und 2012 Rechtswissenschaften, habe ich alle Karrierestufen bei Deloitte – vom Analyst bis zur Partnerin durchlaufen. Meine Entwicklungsmöglichkeit fußt auf dem Fundament „A career built around you“ – letztendlich habe ich ein eigenes Geschäftsfeld aufgebaut. Das finde ich nach wie vor großartig, dass mir das ermöglicht wurde.

Das Führungsteam in der Forensic war weiblich besetzt. Das habe ich als eine große Chance und Inspiration wahrgenommen – nämlich, dass es genau keine spezifischen Herausforderungen gibt.

Welche Maßnahmen oder Unterstützungen halten Sie für essenziell, um die Karriereentwicklung von Frauen in der juristischen Branche zu fördern?

Mein großes Glück war und ist, dass ich stets großartige Mentorinnen an meiner Seite hatte, die mich gefordert und gefördert haben. Gleichzeitig finde ich es wichtig, seinen eigenen Stil zu entwickeln.

Wie bewältigen Sie die Balance zwischen beruflichen Anforderungen und privatem Leben, und welche Tipps würden Sie anderen Frauen in ähnlichen Situationen geben?

Für mich war wichtig zu lernen, dass sich ein erfülltes Privatleben auch positiv auf meinen Job auswirkt. Sich selbst Zeit für sich nehmen, würde ich als wesentlich erachten, z.B. in Form von Yoga, Meditation, Freundschaften pflegen, meine Familie besuchen und Reisen tätigen. Auch bilde ich mich selbst kontinuierlich weiter, sei es in Form von Seminaren oder lese Fachbücher über Persönlichkeitsentwicklung. Jeder/jede nimmt die Intensität des Jobs unterschiedlich wahr – für mich war wichtig zu lernen, auch immer wieder Abstand zu meiner Person als „Partnerin“ bei Deloitte zu bekommen. Das hilft mir, mich auch selbst nicht zu wichtig zu nehmen.

Inwiefern hat sich Ihrer Meinung nach die Situation bezüglich Diversität und Inklusion in der österreichischen Rechtsbranche in den letzten Jahren verändert?

Bei Deloitte habe ich mich von Anfang an, inkludiert gefühlt – ich bin aus Deutschland mit Wurzeln auf Martinique und seit 2007 „Wahlwienerin“. In der Forensic sind wir sehr multidisziplinär und international aufgestellt, sei es von den Kompetenzen bzw. von der Herkunft der Mitarbeiter:innen. Ich nehme eine Änderung insofern war, als dass ich immer mehr mit weiblich besetzten Vorständen bzw. weiblichen Führungspersönlichkeiten zu tun habe.

Welche konkreten Schritte sollte Ihre Branche unternehmen, um ein inklusiveres Arbeitsumfeld zu schaffen?

Bei Deloitte machen wir dies bereits – unser Motto ist „A career built around you“. Das schafft schon Inklusion, nämlich, dass die Karriere sich um die Mitarbeiterin/den Mitarbeiter dreht. Wichtig finde ich auch im Zuge des Bewerbungsprozesses nach Kandidat:innen zu suchen, die zwar dieselben Werte vertreten, jedoch einen anderen Hintergrund haben, sei es durch Ausbildung, Studium, Herkunft etc. – die Vielfalt macht es.

Können Sie ein Beispiel nennen, bei dem eine diverse Arbeitsumgebung zu einer besseren Lösung oder zu innovativeren Ansätzen bei einem rechtlichen Problem geführt hat?

Das erlebe ich tagtäglich und ist ein wesentliches Fundament unserer Arbeit. Bei uns in den Teams sind wir sehr multidisziplinär aufgestellt, d.h. Betriebswirte, Juristen, Physiker, Technologen – mit der Berücksichtigung des fachlichen Beitrags eines jeden Einzelnen schaffen wir ein tolles Produkt für unsere Kunden.

Wie nutzen Sie Technologie in Ihrer täglichen Arbeit, und welche Tools würden Sie besonders empfehlen?

Wir befassen uns intensiv mit den Einsatzmöglichkeiten von Chat GPT bzw. generell Gen AI. Hier gibt es aktuell aber noch viele ungeklärte Compliance-Fragen.

Im Bereich der Geldwäscheprävention wird seit Jahren zur Erkennung von Mustern in Kunden- und Transaktionsdaten auf Technologien gesetzt. Hier nehme ich eine kontinuierliche Weiterentwicklung, z.B. durch den Einsatz von Machine Learning, wahr, um die Identifizierung von Auffälligkeiten effektiver und den Prozess effizienter zu machen.

Welche Chancen und Risiken sehen Sie in der zunehmenden Digitalisierung juristischer Dienstleistungen?

Als Chance sehe ich, den Support bei standardisierten administrativen Tätigkeiten, z.B. in der strukturierten Ablage von Dokumenten, sowie in der Aufbereitung von Daten. Hier setzen wir in der forensischen Analyse schon länger auf künstliche Intelligenz. Risiken sehe ich insofern, wenn man sich nur noch auf diese Technologien verlässt. Ich hatte neulich einen Bewerber/eine Bewerberin, der erläuterte, er habe Fachfragen in ChatGPT eingegeben. Jedoch muss ich sagen, dass er/sie die Antworten ohne kritisches Hinterfragen übernommen hat. Das fand ich nicht ideal.

Wie wichtig war das Mentoring in Ihrer Karriere und können Sie ein prägendes Erlebnis mit einem Mentor oder einer Mentorin teilen?

Meine Mentorin hat mir den Leitsatz „Wissen und Rückgrat“ mitgegeben. Dieser begleitet mich auch heute noch und den gebe ich auch an meine Team-Kolleg:innen weiter.

Ein prägendes Erlebnis war als ich kurz vor dem Abschluss meines Jus-Studiums stand. Mir haben noch 3 Prüfungen gefehlt und es war irgendwie kein Ende in Sicht. Da haben mir meine Mentorinnen nahegelegt, mich voll auf mein Studium zu konzentrieren und dieses abzuschließen. Ich habe dies nicht unmittelbar zu schätzen gewusst, war sehr frustriert – rückblickend bin ich sehr dankbar. Einer der wesentlichen Grundsteine, die die Zusammenarbeit mit meinen Mentorinnen prägt, ist auch unangenehmes auszusprechen – das ist nicht immer leicht, jedoch wissen wir, dass wir füreinander einstehen und das Beste wollen.

Was sind Ihrer Meinung nach die Schlüsselelemente für ein erfolgreiches professionelles Netzwerk in der juristischen Branche?

Freundlichkeit, sich für andere zu interessieren und auch den Austausch zu pflegen – ich mag unterschiedliche Menschen – jeder/jede auf seine/ihre eigene Art und Weise. Dies liegt vielleicht auch daran, dass ich schon als kleines Mädchen viel in Länder fernab gereist bin und mich dort zurechtgefunden habe. Wenn ich eine Person spannend finde und mich deren CV beeindruckt, schreibe ich diese auch heute noch an, ob Interesse an einem fachlichen Austausch besteht – ein bisschen Mut gehört bestimmt auch dazu.

Wie sind Sie an den Aufbau Ihres eigenen Netzwerks herangegangen und welche Strategien haben sich als besonders effektiv erwiesen?

Das hat sich sicherlich mit der Zeit entwickelt, auch aufgrund diverser Tätigkeiten abseits des Projektgeschäfts, d.h. z.B. Verfassen von Artikeln und Beiträgen in Fachzeitschriften/-werken, Vortragstätigkeiten und Teilnahme an Fachevents. Ein Netzwerk baut man meines Erachtens auf, in dem man sich für die Menschen interessiert.

Was war der beste Ratschlag, den Sie jemals erhalten haben, und von wem stammte er?

Ratschlag nicht direkt – in meiner Familie wird sehr viel Wert auf Zähigkeit gelegt, d.h. weitermachen und nicht aufgeben, wenn es mal rumpelt/wackelt – dranbleiben. Mein Opa hat immer gesagt, „Mein Leben war alles nur nicht langweilig!“ – das hat mich auch geprägt, ist wohl kein Ratschlag, sondern eher ein Zugang. Die Vielfalt, die ich schon früh durch diverse Reisen mit meiner Mama in jungen Jahren nach Afrika, Asien und USA erlebt habe, ist auch etwas, was ich im Alltag sehr schätze – immer wieder Neues lernen und erleben.

Können Sie einen Moment in Ihrer Karriere beschreiben, der besonders herausfordernd war und wie Sie damit umgegangen sind?

Herausfordernd für mich war, die erste Juristin im Forensic-Team zu sein. Damals habe ich erst meinen Platz finden müssen, da das Team primär aus Betriebswirt:innen bestand. Ich habe für mich lernen müssen, dass meine juristische Fachexpertise auch ein wertvoller Beitrag im Projektgeschäft sein kann. Mittels dieser Fähigkeit, d.h. juristische Texte in organisatorische, prozessuale und systemische Anforderungen zu übersetzen, habe ich letztendlich ein eigenes Geschäftsfeld aufgebaut. Mittlerweile ist das Team gewachsen und es gibt noch mehr Jurist:innen.

Ich habe damals sehr viele unterschiedlichste Compliance-Themen bearbeitet, die zu Beginn noch nicht meinen Fokus-Bereich darstellten (z.B. Whistleblowing). Das war schon recht „zäh“. Meine Resilienz und positive Einstellung haben mir geholfen weiterzumachen – es hat schon einige Zeit gedauert, bis ich mein erstes Projekt im Bereich der Geldwäscheprävention durchgeführt habe. Das Warten hat sich dann umso mehr ausbezahlt.

Welche Ratschläge würden Sie jungen Juristinnen geben, die gerade ihre Karriere in einer überwiegend männlich dominierten Branche beginnen?

Für mich geht es weder um weiblich oder männlich – es geht um die Sache. Sich auf sich selbst fokussieren und seinen eigenen Weg zu gehen, nicht mit anderen vergleichen und zeitnah Allianzen bilden. Das ist geschlechterunabhängig.

Interviewpartnerin:


Mag. Shahanaz Müller, BA, CAMS, ist Partnerin bei Deloitte Österreich und zeichnet für den Bereich Geldwäscheprävention („Anti-Money Laundering“ – AML) & Sanktions-Compliance verantwortlich. In ihrer Tätigkeit begleitet sie Finanzinstitute bei der Umsetzung organisatorischer, prozessualer und systemischer Anforderungen aus AML & Sanktions-Compliance.

(Foto Copyright Deloitte Österreich)

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