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10 Jahre Women in Law Jubiläum: Stefanie Schinnerl  im Interview
“Jede hat ihre eigenen Stärken, die es zu entdecken und zu nutzen gilt” Ein Interview mit Stefanie Schinnerl Wie erobert man als Frau eine Spitzenposition in der Steuerberatung? Stefanie Schinnerl, zeigt…

“Jede hat ihre eigenen Stärken, die es zu entdecken und zu nutzen gilt”

Ein Interview mit Stefanie Schinnerl

Wie erobert man als Frau eine Spitzenposition in der Steuerberatung? Stefanie Schinnerl, zeigt uns einen Karriereweg, der von Entschlossenheit und strategischem Denken geprägt ist. Die Digitalisierung sieht sie als zweischneidiges Schwert: „KI und automatisierte Datenverarbeitung steigern unsere Effizienz und Beratungsqualität, aber sie bringen auch neue Herausforderungen in der Datensicherheit mit sich.“

Beim Netzwerkaufbau setzt Frau Schinnerl auf gezielte Verbindungen: „Ich wähle bewusst Events und Projekte aus, die meinen Interessen entsprechen, und pflege diese Kontakte kontinuierlich.“ Ihr Rat an junge Juristinnen: Herausforderungen annehmen, authentisch bleiben und einen einzigartigen USP entwickeln.

Wie haben Sie sich Ihre Position in der juristischen Branche erarbeitet und welche spezifischen Herausforderungen mussten Sie als Frau überwinden?

Meine Position in der Steuerberatung erreichte ich durch gezielte Ausbildung und die Bereitschaft, neue Herausforderungen anzunehmen. Nach meinem BWL-Bachelor und dem Master in Steuern und Rechnungslegung an der WU Wien entschied ich mich, durch die Teilnahme beim International and European Tax Moot Court 2017 und damit einer intensiveren Auseinandersetzung mit wissenschaftlichem Arbeiten, für ein drittmittelfinanziertes Doktoratsstudium an der WU Wien in Kooperation mit einer Steuerberatungskanzlei in Wien.

Bereits während meines Bachelorstudiums sammelte ich praktische Erfahrungen in einer kleinen Steuerberatungskanzlei in der Buchhaltung. Nach einem Wechsel zu einer Big4-Kanzlei in die Rechnungslegungsberatung und Wirtschaftsprüfung, erkannte ich relativ schnell, dass mein Herz eher für die Steuerberatung schlägt. Daher der oben erwähnte Wechsel in die drittelmittel finanzierte prae doc Stelle an der WU. Durch diese Zeit erkannte ich, dass mir die Sonderberatung in der Steuerberatung besonders viel Freude bereitet, was mich schließlich dazu bewog, meine Laufbahn stärker in diese Richtung zu lenken.

Nach meinem Doktorat wechselte ich zu BDO, wo ich jetzt als Managerin arbeite. In meiner Rolle als Scientific Expert genieße ich es besonders mich tief in komplexe Themen einzuarbeiten und Lösungen dafür zu finden, die dann zB in Stellungnahmen an Klienten oder wissenschaftlichen Beiträgen münden.

Als Frau in der Steuerberatung hatte ich oft das Gefühl, mich doppelt so stark beweisen zu müssen. Erfolge wurden mir nicht immer zugestanden, sondern externen Faktoren oder „glücklichen Zufällen“ zugeschrieben. Diese Erfahrungen waren besonders am Anfang frustrierend und haben zusätzlichen Druck erzeugt, noch besser performen zu müssen. Trotzdem habe ich gelernt, mich durchzusetzen und mich bewusst Herausforderungen zu stellen. Heute ignoriere ich solche Vorurteile, da ich meine Zeit besser nutzen möchte.

Inwiefern hat sich Ihrer Meinung nach die Situation bezüglich Diversität und Inklusion in der österreichischen Rechtsbranche in den letzten Jahren verändert?

In der österreichischen Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsbranche, über die ich sprechen kann, wurde meines Erachtens in den letzten etwa 1,5 Jahren im Bereich Diversität und Inklusion einiges angestoßen. Kanzleien streben mehr weibliche Führungskräfte und auch Flexibilität für die verschiedenen Lebenssituationen an. Darüber hinaus wurden eigene Frauen Netzwerke innerhalb von Kanzleien aber auch teilweise übergreifend aufgebaut bzw. erweitert. Ich denke dies ist eine wichtige Entwicklung und ein deutliches Zeichen dafür, dass die Branche Fortschritte machen möchte.

Ebenso finden mehr Veranstaltungen statt, um Frauen in der Branche sichtbar zu machen und ihre Expertise weiterzugeben. Diese Veranstaltung bieten darüber hinaus eine super Plattform, um Perspektiven zu teilen, sowie ein Netzwerk aufzubauen. Auch Mentoring-Programme, die junge Juristinnen/Steuerberaterinnen mit erfahrenen Führungskräften zusammenbringen, sind ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Bemühungen, Diversität und Inklusion in der Branche zu fördern.

Ich selbst bin auch in der Arbeitsgruppe „Diversität“ der Kammer (KSW) tätig. Unsere Gruppe unterstützt die KSW mit Ideen und Berichten zum Thema Diversität und hilft bei der Implementierung von Maßnahmen. Die KSW wird dabei als Vorbild für die Umsetzung von Gleichstellungs- und Diversitätsinitiativen angesehen und dient als Ideengeber für Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien.

Diese Initiativen und Entwicklungen zeigen, dass das Bewusstsein für die Bedeutung von Diversität und Inklusion wächst und dass konkrete Schritte unternommen werden, um diese in der österreichischen Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsbranche zu verbessern.

Welche Chancen und Risiken sehen Sie in der zunehmenden Digitalisierung der Rechtsdienstleistungen?

In der Steuerberatung sehe ich die Digitalisierung vor allem als Chance, unsere Effizienz und Beratungsqualität zu steigern. Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und automatisierten Datenverarbeitungen können wir Routineaufgaben schneller und genauer erledigen, was uns mehr Zeit für unsere Klienten lässt. Denn der persönliche Kontakt und das direkte Gespräch mit den Klienten wird, meiner Meinung nach, durch KI nicht ersetzt werden können. Wir sind weiterhin die Experten, die den Klienten zur Seite stehen, jedoch mit Unterstützung der KI. Ich bin daher überzeugt, dass wir frühzeitig lernen müssen, mit KI umzugehen, denn sie wird uns ab jetzt für immer begleiten.

Die Digitalisierung verbessert auch die Transparenz und Kommunikation mit unseren Klienten durch sicheren Datenaustausch und beschleunigte Prozesse. Zudem ermöglicht sie uns, neue Dienstleistungen wie Echtzeit-Beratung anzubieten und flexible Arbeitsmodelle zu unterstützen, was zu einer besseren Work-Life-Balance beiträgt.

Natürlich gibt es auch Risiken, denen man sich bewusst sein muss. Die Sicherheit von Daten ist ein großes Thema, da Cyberangriffe und Datenlecks zunehmen. Investitionen in sichere IT-Systeme und ein Auseinandersetzen mit diesen sind daher unerlässlich.

Zusammengefasst bietet die Digitalisierung meiner Meinung nach die Möglichkeit, den Berufsstand zu modernisieren und effizienter zu gestalten, erfordert jedoch auch, dass wir proaktiv mit den Risiken umgehen und uns ständig weiterbilden, um in der digitalen Ära erfolgreich zu sein.

Wie sind Sie an den Aufbau Ihres eigenen Netzwerks herangegangen und welche Strategien haben sich als besonders effektiv erwiesen?

Beim Aufbau meines eigenen Netzwerks bin ich gezielt und konsequent vorgegangen. Ich bin an den Themen, die mir wichtig sind, drangeblieben und habe aktiv den Kontakt zu den Personen gesucht, die ähnliche Visionen haben. Für mich war es wichtig durch eine klare Kommunikation zu vermitteln für welche Werte ich stehe und wofür ich mich einsetzen möchte. Seitdem ich die ersten Kontakte geknüpft habe, bemühe ich mich regelmäßig meinen Beitrag zu leisten und bei relevanten Projekten mitzuwirken.

Diese Strategie hat sich für mich bisher als sehr effektiv erwiesen, denn ich habe nicht nur sehr viele interessante Menschen kennengelernt, sondern wurde mit der Zeit durch meine bereits bestehenden Kontakte weiterempfohlen. Dadurch bin ich zB auch zu meiner Position im CEPLIS Young Professional Committee auf EU Ebene oder auch in den Vorstand der Austrian Experts, dem Netzwerk für Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen gekommen.

Ich sehe mich selbst nicht unbedingt als typische Netzwerkerin, die auf jedes Event geht und ständig neue Leute kennenlernt. Anstatt auf die Breite meines Netzwerks zu setzen, wähle ich gezielt Events und Themen aus, die meinen Interessen entsprechen. Ich schätze es vielmehr mich mit interessanten Menschen auszutauschen und mit Personen zusammenzuarbeiten, die meine Visionen teilen. Zusammengefasst das Netzwerk durch gezielte Kontaktaufnahme, konsequentes Engagement und klarer Kommunikation der Werte, die einem wichtig sind, aufbauen und am Anfang eher noch überschaubar halten.

Wie beurteilen Sie die Rolle der Juristinnen bei der Gestaltung von Gesetzen, die die Gleichstellung der Geschlechter fördern?

Ich finde die Rolle von Juristinnen in der Gesetzgebung zur Förderung der Geschlechtergleichstellung sehr wichtig. Bei der Erstellung von Gesetzen müssen sämtliche Perspektiven berücksichtigt werden, daher auch die von Frauen, schließlich sind wir ebenso von den Gesetzen betroffen. Ich denke es sorgt dafür, dass Gesetze fairer und vollständiger werden. Ihre Arbeit stellt sicher, dass die Stimmen von Frauen in den Gesetzen gehört werden, was dazu beiträgt, dass die Gesetze wirklich für alle da sind und damit eine echte Gleichstellung erreicht wird.

Welche Ratschläge würden Sie jungen Juristinnen geben, die gerade ihre Karriere in einer überwiegend männlich dominierten Branche beginnen?

Mein Rat wäre zunächst, sich nicht von Herausforderungen abschrecken zu lassen, auch wenn Zweifel bestehen. Ich bin an jeder schwierigen Situation gewachsen und habe viel Neues gelernt. Weiters würde ich jeder jungen Juristin/Steuerberaterin raten, dass Sie Ihren eigenen Weg findet, der Ihre individuellen Stärken und Interessen widerspiegelt und bei dem sie sich wohlfühlt. Daher sich NICHT von anderen beeinflussen lassen, in ein Muster pressen lassen oder sagen zu lassen, was man kann oder nicht kann. Jede hat ihre eigenen Stärken und die muss man nur finden und dann sein Ding durchziehen, egal was andere sagen.

Zuletzt würde ich jeder raten einen USP (Unique Selling Point) zu finden. Wenn man weiß, worin man gut ist, kann man dies nutzen, um sich von anderen abzuheben und eine starke Position einnehmen. Das kann z.B. eine besondere Spezialisierung in einem Fachbereich, eine herausragende Fähigkeit in der Beratung oder eine einzigartige Kombination aus verschiedenen Bereichen sein. Ich weiß beispielsweise, dass ich gut darin bin, mich intensiv mit komplexen Themen auseinanderzusetzen, diese zu recherchieren und gründlich auszuarbeiten. Darüber hinaus besitze ich ein super Zeitmanagement, das es mir ermöglicht, meine zahlreichen Interessen und Projekte effizient zu koordinieren. Zusammengefasst authentisch bleiben, die eigenen Ziele mit Beständigkeit und Entschlossenheit verfolgen und einen USP finden.

Interviewpartnerin:

Dr. Stefanie Schinnerl, MSc absolvierte einen Bachelor in Betriebswirtschaftslehre und einen Master in Steuern und Rechnungslegung an der WU Wien, gefolgt von einem drittmittelfinanzierten Doktoratsstudium an der WU. Während ihres Studiums sammelte sie praktische Erfahrungen in einer kleinen Steuerberatungskanzlei und später in der Rechnungslegungsberatung bei einer Big4-Kanzlei. Ihre Spezialisierung auf Sonderberatung führte sie schließlich zu ihrer aktuellen Position als Tax-Managerin und Scientific Expert bei BDO.

FOTOCREDIT: @nikpichler

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