“Versuchen Sie nicht, der bessere Mann zu sein.”
Ein Interview mit Caroline Weerkamp
Caroline Weerkamp ist seit Jänner 2021 Rechtsanwältin bei der Philadelphy-Steiner Rechtsanwalts GmbH, spezialisiert auf Familienrecht, Zivilrecht und Verbraucherschutz. Sie engagiert sich im Netzwerk „Women in Law Austria“ und absolviert nebenberuflich den LL.M. „Versicherungsrecht“ an der Donau-Uni Krems.
Im Interview erzählt sie, wie sie trotz Benachteiligungen bei Schwangerschaften und geschlechtsspezifischen Barrieren ihren Weg fand. Weerkamp betont die Bedeutung einer inklusiven Unternehmenskultur und teilt Tipps zur Work-Life-Balance: „Balance bedeutet auch, manchmal keine ‚Zeit für sich‘ zu haben und gesellschaftliche Perfektionsansprüche abzulegen.“
Wie haben Sie sich Ihre Position in der juristischen Branche erarbeitet und welche spezifischen Herausforderungen mussten Sie als Frau überwinden?
Ganz klassisch: Studium und Arbeit. Die spezifischen Herausforderungen sind mannigfaltig: zB „abgeschrieben“ werden bei Schwangerschaft, Wiederholen von meinen Wortmeldungen durch anwesende männliche Kollegen, Bevorzugen des männlichen Kollegen bei der Beförderung, etc. Etc.
Welche Maßnahmen oder Unterstützungen halten Sie für essenziell, um die Karriereentwicklung von Frauen in der Rechtsbranche zu fördern?
Ich halte es für wesentlich, im Unternehmen eine Kultur zu etablieren, die auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen eingeht. Sowohl Männer als auch Frauen sollten an den internalisierten unconscious bias arbeiten, unterstützt vom Arbeitgeber.
Wie bewältigen Sie die Balance zwischen beruflichen Anforderungen und privatem Leben, und welche Tipps würden Sie anderen Frauen in ähnlichen Situationen geben?
Ich glaube, dass man sich dessen bewusst werden muss, dass Balance auch bedeutet, in bestimmten Zeiträumen keine „Zeit für sich“ zu finden, dafür in anderen Zeiträumen sehr wohl. Der Anspruch (an Frauen) stets schön, schlank, liebevoll, freundlich, fürsorglich, etc zu sein, kann sehr belastend sein. Oft muss man diese Ansprüche, die man ja auch gesellschaftlich bedingt dann an sich selbst stellt, abschütteln. Choose your battles 😉
Inwiefern hat sich Ihrer Meinung nach die Situation bezüglich Diversität und Inklusion in der österreichischen Rechtsbranche in den letzten Jahren verändert?
Ich habe schon den Eindruck, dass sich die Rechtsanwältinnenkammern, nicht zuletzt mangels Nachwuchses, dessen bewusst sind, dass ein Umdenken notwendig ist. Ich sehe, dass stetig an den Regelungen gearbeitet wird, die insbesondere für junge Eltern Erleichterungen schaffen sollen.
Welche konkreten Schritte sollte Ihre Branche unternehmen, um ein inklusiveres Arbeitsumfeld zu schaffen?
Ein stetiges Auseinandersetzen mit unconscious bias halte ich für unumgänglich.
Können Sie ein Beispiel nennen, bei dem eine diverse Arbeitsumgebung zu einer besseren Lösung oder zu innovativeren Ansätzen bei einem rechtlichen Problem geführt hat?
Ein Produkt zu entwerfen, das am Markt nicht nur für ein Geschlecht angeboten werden soll, erfordert meines Erachtens zwingend ein diverses Team. Vorbildlich finde ich hier zB die Wiener Stadtplanung.
Welche Chancen und Risiken sehen Sie in der zunehmenden Digitalisierung der Rechtsdienstleistungen?
Eine wesentliche Chance sehe ich darin, dass Digitalisierung und insbesondere Automatisierung Fehler minimieren kann. Die elektronisch geführten Akten bei Gericht haben insbesondere den Vorteil, dass die Parteien selbst auch Akteneinsicht nehmen können, wenn sie unvertreten sind, Einbringungen durchführen können und die Justiz hier zugänglicher wird.
Was sind Ihrer Meinung nach die Schlüsselelemente für ein erfolgreiches, professionelles Netzwerk in der juristischen Branche?
Ein Netzwerk soll den Austausch fördern, nicht nur auf fachlicher Ebene, sondern auch eine Anlaufstelle bieten, um sich über persönliche Erfahrungen auszutauschen. Nur durch diesen Austausch kann auf struktureller Ebene eine Veränderung bewirkt werden. Jede Einzelne muss ihren Wert verstehen, Teil eines solchen Netzwerks zu sein – nicht nur als passives Mitglied, sondern auch als aktives – und sich dessen bewusst sein, dass man gemeinsam vielmehr erreichen kann, als alleine.
Wie sind Sie an den Aufbau Ihres eigenen Netzwerks herangegangen und welche Strategien haben sich als besonders effektiv erwiesen?
Irgendwann habe ich mich überwunden, auf eine Veranstaltung zu gehen, auch wenn ich dort niemanden gekannt habe. Dort habe ich dann einfach die Netzwerkgründerin angesprochen und gesagt, dass ich mich einbringen will – das hat auf Anhieb geklappt! Es ist oftmals anstrengend, auf Veranstaltungen zu gehen, diese zeitlich unterzubringen, sich zu überwinden, wenn man niemanden kennt, etc. etc. Manchmal muss man leider über den eigenen Schatten springen – Mentoring-Programme sind hier auch sehr sinnvoll, weil die Gruppen kleiner sind und intimer, da geht man weniger unter als bei großen Veranstaltungen. Im Laufe der Jahre habe ich viele verschiedene Kolleginnen kennengelernt, sodass ich nunmehr ein Netzwerk an Juristinnen kenne, aus denen ich Kolleginnen weiterempfehlen kann, was auch für meine Mandant:innen von großem Vorteil ist.
Interviewpartnerin:

Caroline Weerkamp ist Rechtsanwältin und seit Jänner 2021 bei der Philadelphy-Steiner Rechtsanwalts GmbH tätig. Ihre Schwerpunkte liegen im Familienrecht, allgemeinen Zivilrecht und Verbraucherschutz.
Sie war nicht nur bei namhaften Rechtsanwaltskanzleien in Wien und Niederösterreich, zB Brauneis Rechtsanwälte und ULSR Rechtsanwälte, tätig, sondern hat sie ihr beruflicher Weg auch in Unternehmen geführt – ein Perspektivenwechsel, der in der Beratung von großem Nutzen ist.
Caroline engagiert sich seit vielen Jahren führend im Netzwerk „Women in Law Austria“. Nebenberuflich absolviert den Universitätslehrgang „Versicherungsrecht“ (LL.M.) der Donau-Uni Krems. Caroline Weerkamp lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in Wien. Sie beschäftigt sich privat gerne mit Nähen und Boxen.
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